Epiphanias – Johanni 2023
Liebe Mitglieder, liebe Freunde,
Rembrandt malte viele beeindruckende Bilder, die von der Kraft des Spiels zwischen Licht und Dunkelheit leben. Wenn man ganz nah an das Bild herangeht, wird man vom Licht überwältigt, fast geblendet. Entfernt man sich zu weit, verdunkelt sich das Bild, wirkt fast finster. So suchen wir, falls es der Museumsbesucher-Ansturm erlaubt, nach dem richtigen Abstand. Man kommt näher und tritt dann wieder zurück. Diese scheinbar unspektakulären, auf Zentimeter abgemessenen Schritte, dieses Vorschreiten und Zurücktreten, erlauben uns aber eine besondere Erfahrung. Wir erleben, wie sich ein Kunstwerk nicht nur aus Farben und gekonnt gemalten Figuren formt, sondern auch aus dem, wie wir zu diesem Kunstwerk stehen: Wie weit, wie fern? Um das richtige Maß zu finden braucht man Zeit, aber auch Lust auf den fortwährenden Standpunktwechsel, also auf die Bewegung.
Von einer wirklichen Wahrnehmung des Kunstwerkes im Vorbeigehen kann nicht die Rede sein, auch weil die meisten wertvollen Bilder in den Museen verglast sind. Da müssen wir uns noch zusätzlich von der Täuschung des Lichtes auf der spiegelnden Oberfläche befreien. Irritierend ist es, sich plötzlich selbst zur Rechten des großen Rembrandts in seinem Selbstporträt zu erblicken.
In allen diesen Erfahrungen ist uns eine Sache vielleicht deutlich: wir brauchen Zeit und Geduld um den richtigen Augenblick nicht zu verpassen, in dem wir das sehen, was ist.
Ein gar nicht so großes Bild von Rembrandt, etwa 60 x 80cm – das Bild befindet sich in den Staatlichen Museum zu Berlin –, stellt einen predigenden Johannes der Täufer da. Wieder ein starkes Spiel zwischen Licht und Dunkel: auf einer Anhöhe nah am Jordan Fluss spricht Johannes zu einer großen Volksmenge. Viele Menschen, Reiche und Arme, Frauen und Männer, lachende Kinder und leidende Greise sind da, um zu hören, was er zu sagen hat. Draußen herrscht eine düstere Stimmung. Am verhängten grauen Himmel ist kein Schimmer von Licht: weder Sonne noch Mond noch Sterne. Die Erde ist dunkelbraun. Diese Farben umfangen auch einige Menschen, machen sie zu Bestandteilen der Landschaft. Dennoch gibt es in diesem Bild eine starke Lichtquelle, die alles Umliegende beleuchtet. Es ist Johannes selbst. Er spricht mit erhobener Hand, leicht gebeugt zu den Menschen. Seine Gestalt strahlt um sich helles warmes Licht. Wer von den Menschen sich in seine Nähe traut, wird ebenso hell beleuchtet. Wer sich abwendet, der steht in dunkle Schatten gehüllt, mehr Fels als Mensch.
Das Licht des Johannes hat eine sanfte Kraft. Es überstrahlt nicht, es blendet nicht. Es ist Licht, das von den Worten ausgeht. Die Worte leuchten, weil er nicht über sich erzählt, sondern über Jemanden, der höher ist, der kommen soll, der aber auch Licht und Finsternis kennt.
Mit warmen Grüßen
Ihre Yaroslava und Ihr Ben Black