Gemeindebrief

Johanni – Epiphanias 2024

Liebe Mitglieder, liebe Freunde,

Liebe Mitglieder und Freunde der Gemeinde,

Navid Kermani hat wieder ein Buch über Gott geschrieben. Genau genommen, über Glauben und Fragen des modernen Menschen an Gott. Als Ausgangspunkt wählt er eine Geschichte an der Schwelle des Todes, die Erinnerung eines Sterbenden, die für ihn wesentlich ist: „Als Scheich Abu Said, einer der berühmtesten islamischen Mystiker des elften Jahrhunderts, einmal nach Tus kam, einer Stadt im Nordosten des heutigen Iran, strömten in Erwartung seiner Predigt so viele Gläubige in die Moschee, dass kein Platz mehr blieb. ,Gott möge mir vergeben‘, rief der Platzanweiser, ,jeder soll von da, wo er ist, einen Schritt näher kommen.‘ Da schloss der Scheich die Versammlung, bevor sie begonnen hatte. ,Alles, was ich sagen wollte und sämtliche Propheten gesagt haben, hat der Platzanweiser bereits gesagt‘, gab er zur Erklärung, bevor er sich umwandte und die Stadt verließ.“

Die Veränderungen, die die Welt von uns fordert, brauchen Mut: „Jeder soll von da, wo er steht, einen Schritt näher kommen.“ Wir kommen uns gerne näher, wenn wir uns kennen und mögen. Und wenn nicht? Lässt die Fremdheit des Anderen die Annäherung zu? Fremde Menschen, Spra- chen, Sitten, fremder Geruch, fremdes Aussehen … vielleicht verliere ich mich selbst in dieser Fremdheit, komme mir selbst fremd vor? Es ist ganz natürlich, bei sich bleiben zu wollen. Sich dem Anderen zu nähern liegt ebenso tief in unserer Natur und weckt in uns die Sehnsucht nach Nähe. Diese Sehnsucht ist so stark wie der Durst. Sie treibt uns in fremde Gegenden und durch Wüsten, um bei einer vielleicht flüchtigen Begegnung von einem Fremden einen Schluck Wasser zu bekommen. So schlicht wie berührend gestaltet sich das Gespräch: „Gib mir zu trinken“. „Wie kannst du, als Jude, mich, eine samaritische Frau, um Wasser bitten?“ Es scheint nicht möglich, wenn man das Trennende hervorhebt: Mann – Frau, Jude – Samariterin. Wir können bei jedem unmöglichen Gespräch diese Reihe bis ins Unendliche erweitern. Doch wir können auch die unendlichen Möglichkeiten dessen erweitern, was geschehen kann, wenn jeder von da, wo er steht, einen Schritt näher kommt.

Dieses sich Näherkommen – behutsam, andächtig, still – ist zugleich dem Göttlichen nahe sein.
Nur einen Schritt. Und das genügt auch.

Mit warmen Grüßen
Ihre Yaroslava Black und Ihr Ben Black

Liebe Freunde,

Mut brauchen auch wir, um uns von dem Vertrauten und Schönen in Köln zu trennen und in die Fremde nach Berlin aufzubrechen. Wir begannen unseren gemeinsamen Weg mit Ihnen in der Michaeli-Zeit vor vierzehn Jahren und in der Michaeli-Zeit kommt unsere Zeit in Köln zum Abschluss. Mit großer Dankbarkeit und Freude blicken wir zurück. Sie haben zwei Fremde sehr herzlich aufgenommen und wir fühlten uns sehr bald „zu Hause“. Und auch wenn nicht alle Sprachfehler sofort verschwanden, hatten wir mit Ihrer Hilfe das Gefühl waschechte Kölner zu sein. Mit einem Schmunzeln lasen wir unseren ersten Gemeindebrief, den wir an Sie vor vierzehn Jahren verfassten:

Liebe Mitglieder und Freunde der Kölner Gemeinde!
Et bliev nix wie et wor – steht im Kölschen Grundgesetz. Das spricht für die große Offenheit der Kölner für Neuerungen. Wir sind etwas Neues für Sie. Sie sind etwas Neues für uns.

Das verspricht viele Entdeckungen und jede Menge Freude.
Eine wahrlich große Freude durften wir erleben, als wir in die liebevoll und sorgfältig renovierten Räume der Gemeinde einziehen durften. Ein sehr herzlicher Dank allen tüchtigen Helfern für Ihren Einsatz!
In unserer kleinen Küche in der Gemeinde steht ein Kreidetäfelchen mit der Frage:

„Was fehlt?“ Da wir nicht nur zusammen Kaffee trinken, handelt es sich vermutlich auch um eine andere Substanz. Was fehlt? Diese Frage wollen wir gerne mit Ihnen zusammen bewegen und leben; durch die Michaelizeit mit einer Prise Mut, durch die Adventszeit in einem stillen Lauschen, durch die Weihnachtszeit mit großer Freude für die Neugeburt.

Jeder Anfang bringt viele Möglichkeiten mit sich. Wir wollen ein paar wenige mit Ihnen aufgreifen, ein paar andere vertiefen.

Das Kreidetäfelchen gibt es nicht mehr. Wahrscheinlich fehlt auch nichts mehr. Wir haben gemeinsam ein schönes Werk vollbracht. Haus IONA steht und leuchtet wie ein blauer Edelstein, nicht für sich selbst, sondern für alle, die in der Fremde nach einer geistigen Heimat suchen. Es gibt viele Durstende und der Brunnen ist tief. Das und vieles, vieles mehr werden wir in Erinnerung tragen. Ihnen wünschen wir viel Freude bei einem neuen Anfang voller Möglichkeiten! Am 19. November können wir uns von einander verabschieden.

Dankbar Ihre Yaroslava und Ben Black